Wie im ersten Teil bereits beschrieben, ist die Siedlungsstruktur und das Einfügen der Häuser, Wege und Plätze in die Natur an kargen Orten wie dem Hochgebirge, überlebenswichtig. Doch wie verhält es sich mit der Bauweise der Häuser selbst?
Man war sich der Begrenztheit seiner Ressourcen bewusst.
Prinzipien, die heute an den Universitäten gelehrt werden, wenn es darum geht, Energie einzusparen, effizienter zu heizen, Sonnenenergie zu nutzen und richtig zu dämmen, sind im Grunde nichts Neues. Vor dem Zeitalter der Kohle und des Öls waren sich die Menschen durchaus der nicht endlosen Verfügbarkeit von Ressourcen bewusst. Im Manang-Tal, wo Holz ein knappes Gut ist, legte seit jeher die Dorfgemeinschaft Regeln fest, wann und wie viel Holz man fällen durfte. Die Verwendung von kollektiven Ressourcen war nichts, worüber ein Individuum entscheiden durfte, sondern nur die Gemeinschaft.
Manche Wäldchen am Hang oberhalb von Siedlungen waren komplett tabu. Aus gutem Grund stabilisieren doch die Wurzeln den Hügel und verhindern Erdrutsche. In alten Zeiten halfen Mythen und Sagen zusätzlich, solche Wälder zu schützen, indem sie beispielsweise als ‚heilig‘ verehrt wurden.
Das Material bestimmt die Architektur.
Beim Bauen der Häuser versuchte man ebenfalls, mit möglichst wenig Holz auszukommen. Sämtliche Wände sind massiv aus Steinen geschichtet, nur die Decken werden mit Holzlatten, Geäst und Lehm ausgebildet und von Holzstützen mit Unterzug getragen. Man spricht demzufolge von einer Hybridbauweise. Türen- und Fensterrahmen sind ebenfalls aus Holz und fest mit horizontal im Mauerwerk verlaufenden ,Ringankern‘ verbunden.
Diese mit einem Abstand von circa einem Meter angeordneten Holzverbindungen dienen der Erdbebenstandfestigkeit der Mauer. Alle Häuser weisen Flachdächer auf (es regnet selten im Manang-Tal) und werden als Aufenthaltsflächen, zum Trocknen von Kräutern und Gewürzen oder zum Lagern von Brennholz genutzt.
Zonierung der Wohnräume:
Bemerkenswert an der internen Organisation der Häuser ist die Zonierung von Wohnbereichen nach Jahreszeit und Klima, sowie die vertikale Anordnung des Grundrisses. Es erinnert ein wenig an die ‚Antivilla‘ von Brandlhuber+ in Potsdam, bei der sich der Wohnbereich im Winter auf einen kleinen ‚warmen Kern‘ im Herzen des Hauses beschränkt, um sich im Sommer dann auf eine dreimal so große Fläche zu verteilen. Durch diese pragmatische Lösung konnte auf ein aufwendiges Dämmen der alten Gebäudehülle verzichtet werden. Das traditionelle Haus in Manang hat ebenfalls einen warmen Kern, der umringt ist von unbeheizten Pufferzonen und Sonnenterrassen
Die Tiere im Erdgeschoss sorgen für Wärme im Wohnbereich.
Um sich vor den Witterungseinflüssen zu schützen, befindet sich der Wohnbereich, der in der Regel aus einer offenen Wohnküche besteht, in der nachts auch die gesamte Familie schläft, im ersten Obergeschoss. Im Erdgeschoss befindet sich der Stall mit Nutztieren sowie der Abort. Hier läuft man auf nacktem Erdboden; die Holzstützen sind auf Steinen aufgelagert um vor Feuchtigkeit zu schützen. Die Wärme der Tiere steigt nach oben und wärmt das Obergeschoss zusätzlich von unten. Die Häuser sind terrassenartig abgestuft und mit außenliegenden Leitern vertikal erschließbar. Vor dem Wohnraum gibt es eine Veranda, deren Seiten windgeschützt, nach vorne (Süden) aber komplett offen sind. Aus diesem Grund ist das Erscheinungsbild der Fassaden perforiert. In dieser Pufferzone hält man sich tagsüber auf, da man hier auch im Winter, dank starkem Sonnenschein, angenehm verweilen kann. Erst abends zieht man sich in den Wohnraum zurück, welcher in der Regel über keine eigenen Fenster verfügt. Durch so wenige Öffnungen wie möglich, dicke Wände und eine kompakte Bauweise soll dieser Kern warmgehalten werden.
Das Haus als Cluster.
Das Wohnhaus wird nicht als Einheit mit einer klimatischen Hülle verstanden, sondern wie das Dorf selbst als ein Cluster verschiedener Funktionszonen. Diese Zonen und Ebenen bieten einen unter-schiedlichen Grad an Schutz vor Witterung und Klima. So lässt sich jeder Bereich des Haues zur richtigen Tages- und Jahreszeit optimal nutzen. Vielleicht können Beispiele wie dieses als Anreiz dienen, die interne Organisation moderner Häuser hinsichtlich Ressourceneinsparung und Lebensqualität zu verbessern?
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